Das Büro muss sich neu bewerben
Es ist unbestritten: Die Arbeitswelt, wie wir sie kennen, steht vor dem grössten Wandel ihrer Geschichte. Dabei ist die Technologie, beispielsweise künstliche Intelligenz (KI), einer der grössten Treiber für diese Veränderung. Wie und was genau auf uns zukommt, können wir nur erahnen.
Einer Studie des Beratungsunternehmens McKinsey zufolge ist es jedoch wahrscheinlich, dass die Veränderungen, mit denen wir es im Kontext der Arbeit zu tun haben, zehnmal schneller und in dreihundertmal grösserem Ausmass kommen werden als während der industriellen Revolution. Was wir uns noch vor wenigen Jahren nicht hätten vorstellen können, ist mit Corona-Pandemie, ChatGPT und unzähligen weiteren KI-Tools zur neuen Realität geworden. Und spätestens jetzt ist klar: Das war erst der Anfang und gilt für alle Branchen gleichermassen.
Was heisst das für Unternehmen?
Unsere Arbeit wird neu organisiert. Das alles erfordert ein neues Mindset, neue Fähigkeiten, organisatorische Veränderungen und nicht zuletzt Orte, die uns in diesem Wandel unterstützen. Während die einen gerade aus der Schockstarre erwachen oder immer noch hoffen, dass das alles wieder vorbeigeht, beschäftigen sich andere schon konkret mit der eigenen Zukunft und legen die dafür notwendigen organisatorischen Rahmenbedingungen fest.
In einer Arbeitswelt, in der sich die Rahmenbedingungen schneller verändern als der Wetterbericht, braucht es mentale Beweglichkeit und Offenheit seitens der Unternehmen, um diese Veränderungen als Chancen zu begreifen; vor allem jene, die sich durch neue Technologien ergeben. Das Zukunftsinstitut beschreibt dies in einer aktuellen Studie als technosoziale Arbeitswelt, in der die Technologie nicht mehr als Werkzeug dient, sondern mit dem Menschen verschmilzt. Es sieht darin einen fundamentalen Wendepunkt.
Aufgrund dessen ist es unumgänglich, technologische Kompetenzen zu entwickeln und zu prüfen, wie und in welchem Umfang KI im eigenen Unternehmen eingesetzt werden kann. Um den Anschluss nicht zu verlieren, lohnt sich vor allem ein Investment in die Aus- und Weiterbildung der Mitarbeitenden sowie in das Employer Branding, um neue Talente mit den entsprechenden Fähigkeiten hinzugewinnen zu können. Laut einem Bericht der Harvard Business Review werden sich die bestehenden Jobprofile durch den Einsatz von KI in den nächsten Jahren nämlich um bis zu 65 Prozent verändern. Die Gefahr, sich dabei in einem Meer von ständigen Neuausrichtungen zu verlieren, ist sehr gross. Gerade jetzt sind die Unternehmen deshalb gefordert, ein neues Führungsverständnis zu entwickeln, das Orientierung und Sicherheit gegenüber den Mitarbeitenden vermittelt. Dazu braucht es eine klare Vision und neue Kompetenzen seitens der Führungskräfte. Denn in der Arbeitswelt der Zukunft wird die Führungskraft zur Coachin und Wegbegleiterin der Mitarbeitenden. Um dieser neuen Rolle gerecht zu werden, stehen also auch die Führungskräfte vor grossen Veränderungen.
Was heisst das für die Mitarbeitenden?
Wenn man sich bewusst macht, welche Themen und Herausforderungen auf uns zukommen, kann man schon mal den Mut verlieren und sich fragen: «Wie sollen wir das alles schaffen? » und «Braucht es uns Menschen überhaupt noch?»
Im Gegensatz zu vorigen Jahrhunderten, in denen vor allem unser Körper durch die Arbeit beansprucht wurde, leben wir heute in einer Zeit, in der viele Menschen mit mentalen und psychischen Problemen zu kämpfen haben. Dazu gehört auch die Sehnsucht nach echten Mensch-zu-Mensch-Beziehungen – kein Wunder, wenn man bedenkt, wie komplex und vielschichtig die Veränderungen sind, mit denen wir uns in einer noch nie dagewesenen Geschwindigkeit auseinandersetzen müssen. Als Ursachen für diese psychischen Probleme lassen sich vor allem zunehmender Druck, Überforderung und Stress identifizieren.
In einer aktuellen Studie von Stepstone sind 55 Prozent der Befragten der Meinung, dass es in der Verantwortung des Unternehmens liegt, für das Wohlbefinden der Mitarbeitenden zu sorgen. Unternehmen sind daher gut beraten, nicht nur in Technologien zu investieren, sondern auch eine Arbeitsumgebung zu schaffen, die das Wohlbefinden unterstützt. Erst recht, wenn man bedenkt, dass Fachkräfte aufgrund des demografischen Wandels in Zukunft ein noch kostbareres Gut sein werden, sollte man alles daransetzen, mit denen, die man hat, sorgsam umzugehen.
Zu den Massnahmen, die das Wohlbefinden steigern, gehören beispielsweise neue Lern- und Arbeitswelten, die dazu beitragen das Wohlbefinden von Mitarbeitenden zu steigern, indem Probleme wie Stress und Überlastung – und somit auch Langzeiterkrankungen – reduziert werden. Solche physischen Orte dienen auch dazu, die Kultur eines Unternehmens erlebbar zu machen und den Mitarbeitenden ein Gefühl der Zugehörigkeit zu vermitteln. Gerade Zugehörigkeit wird in Zukunft der Klebstoff für eine Unternehmenskultur sein, in der Menschen bereit sind, ihren Beitrag zu leisten und sich für ein Unternehmen zu engagieren – Stichwort Motivation. Wir können also festhalten: Die Kultur eines Unternehmens lebt von der physischen Begegnung von Mensch zu Mensch.
Das Büro spielt eine wichtige Rolle
Das Büro wird in Zukunft einer dieser physischen Treffpunkte sein. Nach den Erfahrungen durch die Corona-Pandemie wird es aber nicht mehr der einzige, sondern nur einer von vielen Orten sein, an denen die Arbeit erledigt werden kann. Denn das Homeoffice und die hybriden Arbeitsmodelle sind gekommen, um zu bleiben. Da ist es nicht weit hergeholt zu sagen: Das Büro muss sich neu bewerben.
Aufgrund der gestiegenen Anforderungen an Büros reicht es nicht aus, Regeln zu definieren, wie oft und wie lange die Mitarbeitenden ins Büro zurückkehren sollen. Ich kenne kein Unternehmen, in dem die vorgegebenen Präsenztage problemlos eingehalten werden, wenn den Mitarbeitenden der Mehrwert des eigenen Büros nicht klar ist. Vielmehr muss die ursprüngliche Idee des Büros völlig neu gedacht werden. Dafür müssen sich vor allem die Bürokonzepte fundamental verändern.
Wenn Unternehmen also Büros entwickeln wollen, die einen positiven Beitrag zum Wohlbefinden und zur Unternehmenskultur leisten, müssen sie sich mutige Fragen stellen wie: Was ist der Zweck des Büros? Und was ist eigentlich die Essenz der Arbeit, die in Zukunft noch im Büro stattfinden soll? Darüber hinaus ist ein attraktives Bürokonzept ein entscheidendes Kriterium bei der Rekrutierung von Mitarbeitern, die sich anhand dessen für oder gegen ein Unternehmen entscheiden. Auch oder gerade jüngere Personen wollen in einem Umfeld arbeiten, in dem sie sich wohl fühlen und ihr Potenzial voll entfalten können.
Ein neues Bürokonzept allein wird die Herausforderungen nicht lösen. Wie bereits beschrieben, ist der physische Ort nur ein Element unter vielen – wenn auch oft ein unterschätztes.
Wie geht es weiter?
Das nächste «Big Thing» wird ganz sicher kommen. Müssen wir davor Angst haben? Nein. Aber jedes Unternehmen muss sich bewusst werden, dass es sich besser heute als morgen mit der eigenen Zukunft beschäftigen sollte, um zukünftig relevant zu bleiben. Ob die Zukunft dann New Work, Future Work oder ganz anders heisst, spielt keine Rolle. Fakt ist: Wir müssen Arbeit neu denken. Es gibt noch viel zu tun. Packen wir es an!